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lassen, falls sie den Betreffenden tatsächlich fände. Zedd hatte ihr erklärt, ihre eigene Sicherheit und
die ihrer Familie hänge davon ab, dass sie ihre Rolle überzeugend spielte; Abby brauchte nur an die
Leute zu denken, die ihre Tochter quälten, und sie hatte keine Mühe mehr, die Wütende zu spielen.
Jetzt aber lief ihr die Zeit davon. Es wollte ihr partout nicht gelingen, ihre Familie zu finden; hinzu
kam, dass sie wusste, Zedd würde nicht auf sie warten, dafür stand zu viel auf dem Spiel, wie ihr
mittlerweile klar geworden war. Allmählich dämmerte ihr auch, dass der Zauberer und die Mutter
Konfessor bemüht waren, einen Krieg zu verhindern, dass sie sich entschieden hatten, die fürchter-
liche Bürde auf sich zu nehmen, das Leben einiger weniger für das Überleben vieler zu opfern.
Abby schlug den nächsten Zelteingang zurück und sah wieder nichts als schlafende Soldaten. Sie ging
in die Hocke und betrachtete die Gesichter einiger an Wagen festgeketteter Gefangener, die ihren
Blick mit leerer, ausdrucksloser Miene erwiderten. Sie beugte sich ein wenig vor und starrte in die
Gesichter von Kindern, die sich in ihren Alpträumen eng aneinander geklammert hatten, doch Jana
war nirgendwo zu sehen. Das riesige Feldlager zog sich endlos über die hügelige Landschaft; es gab
zigtausende von Stellen, wo sie sein konnte.
Sie schritt gerade an einer krummen, unregelmäßigen Reihe von Zelten entlang, als sie sich am
Handgelenk kratzte; erst im Weitergehen wurde ihr bewusst, dass der sich aufheizende Armreif den
Juckreiz ausgelöst hatte. Während der nächsten Schritte nahm die Wärme noch leicht zu, ließ dann
aber allmählich wieder nach. Als sie über die mögliche Ursache nachdachte, beschleunigte sich ihr
Puls, und ein nervöses Zucken bemächtigte sich ihrer Stirn. Hin und her gerissen zwischen der
Hoffnung, es könnte vielleicht die so dringend benötigte Hilfe sein, und der Angst, sich dieser
Hoffnung hinzugeben, machte sie kehrt und ging zu der Stelle zurück, wo ihr Armreif
unerklärlicherweise angefangen hatte, Wärme abzugeben.
Zwischen zwei äußerlich unauffälligen Zelten fing ihr Armreif wieder an zu prickeln und sich
aufzuheizen. Abby hielt einen Moment inne und starrte in die Dunkelheit; die ersten Lichtstrahlen
begannen soeben den Himmel einzufärben. Sie nahm den Pfad zwischen den Zelten und folgte ihm,
bis der Armreif erkaltete, ging dann denselben Weg zurück bis zu der Stelle, wo er wieder wärmer
wurde, und wählte eine andere Richtung, in der die Wärme weiter zunahm.
Ihre Mutter hatte ihr den Armreif mit der Aufforderung vermacht, ihn stets zu tragen, eines Tages
werde er ihr von Nutzen sein. Abby fragte sich, ob der Armreif womöglich über magische Kräfte
verfügte, die ihr beim Aufspüren ihrer Tochter helfen würden. Jetzt, so kurz vor dem Hellwerden,
schien dies die einzige Möglichkeit, die ihr noch blieb. Sie ließ sich von der Wärme ihres Armreifs
leiten und lief mit hastigen Schritten weiter.
Der Reif führte sie zu einem riesigen Lager voller schnarchender Soldaten; Gefangene waren
nirgendwo zu sehen. Posten patrouillierten rings um die in Decken eingerollten Männer. Inmitten all
dieser langen Soldatenkerle stand ein einzelnes Zelt - das eines Offiziers, wie sie vermutete.
In Ermangelung einer besseren Idee trat Abby entschlossen mitten zwischen die Schlafenden. In der
unmittelbaren Umgebung des Zeltes wurde die prickelnde Hitze ihres Armreifs so stark, dass sie den
ganzen Arm hinaufkroch.
Wachen umschwärmten das kleine Zelt wie Fliegen ein Stück Fleisch, wie Abby jetzt erkannte. Durch
die leinenen Zeltwände drang ein schwacher Lichtschein, wahrscheinlich von einer Kerze drinnen. Ein
Stück weiter seitlich bemerkte sie eine schlafende Gestalt, die anders aussah als die Soldaten; im
Näherkommen sah sie, dass es eine Frau war: Mariska.
Die alte Frau gab im Schlaf beim Atmen ein leises, schnarrendes Pfeifen von sich. Abby stand wie
gelähmt. Die ersten Posten wurden auf sie aufmerksam.
Weil sie unbedingt handeln musste, bevor man ihr Fragen zu stellen begann, bedachte Abby sie mit
einem finsteren Blick und näherte sich dem Zelt mit entschlossenen Schritten. Dabei versuchte sie
jedes Geräusch zu vermeiden; die Posten mochten sie vielleicht für eine Mord-Sith halten, Mariska
jedoch würde sich nicht lange täuschen lassen. Ein zorniger Blick von Abby bewog den Posten, sich
wieder der dunklen Landschaft zuzuwenden.
Ihr Herz drohte sich fast zu überschlagen, als sie die Lasche der Zeltöffnung ergriff; sie wusste, dass
Jana im Zelt sein würde, und nahm sich vor, bloß nicht laut zu schreien, sobald sie ihre Tochter sah.
Auch ermahnte sie sich, ihr sofort den Mund zuzuhalten, bevor sie ihre Freude über das Wiedersehen
herausschreien konnte, damit sie nicht schon aufgegriffen wurden, bevor sie überhaupt eine
Gelegenheit zur Flucht gehabt hatten.
Der Armreif war so heiß, dass er ihr fast die Haut verbrannte. Abby bückte sich und trat in das
niedrige Zelt.
Im Schein der einen Kerze war ein kleines, ängstlich zitterndes Mädchen zu erkennen, das, in einen
zerlumpten Wollumhang gewickelt, in einem Haufen zerwühlter Decken kauerte. Es erfasste die rote
Lederkleidung mit einem Blick, dann starrte es aus großen Augen hoch, denen die Angst vor dem, was
ihr jetzt bevorstand, deutlich anzusehen war. Abby verspürte einen schmerzhaft quälenden Stich; das
Mädchen war nicht Jana.
Einen kurzen Moment lang wechselten das Mädchen und Abby einen verzückten Blick, einen Blick
voller Gefühle, wie man sie mit Worten nicht hätte beschreiben können. Das Gesicht des Mädchens,
wie Abbys sicher auch, war im Schein der seitlich stehenden Kerze deutlich zu erkennen; die großen
Augen, denen man das unvorstellbare Grauen ansah, das sie erblickt hatten, schienen anzuzeigen, dass
das kleine Mädchen zu einem Entschluss gelangt war.
Es streckte in einer flehentlichen Geste die Arme vor.
Abby folgte ihrem Beschützerinstinkt, ließ sich auf die Knie fallen, hob das Kind vom Boden auf und
nahm den kleinen, zitternden Körper in die Arme. Die spindeldürren Ärmchen kamen unter dem
zerlumpten Kleid hervor, schlangen sich ihr um den Hals und klammerten sich daran fest, als hinge
ihr Überleben davon ab.
»Hilfst du mir? Bitte?«, wimmerte die Kleine ihr ins Ohr.
Vor dem Hochheben hatte Abby ihr Gesicht im Schein der Kerze gesehen, daher hegte sie nicht den
geringsten Zweifel, dass es Zedds Tochter war.
»Ich bin gekommen, um dir zu helfen«, versuchte Abby sie zu trösten. »Zedd schickt mich.«
Als es den geliebten Namen hörte, stöhnte das Kind voller Hoffnung.
Abby hielt das Kind auf Armeslänge von sich. »Ich werde dich zu deinem Vater bringen, aber die
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